Artikel: Kaufberatung von Holger Lübben V: 1.0 Teil 4
Im vierten und vorläufig letzten Teil unserer E24-Kaufberatung möchten wir auf die Teile des Coupés eingehen von denen die 6er-gemeinde durch langjährige Erfahrung weiß, daß sie häufiger mal kaputt gehen. Während man einige Dinge in die Katagorie "normaler Verschleiß" einordnen kann, muß man bei anderen Dingen wohl sagen das es generelle Schwachpunkte am 6er sind. Von Holger Lübben und bearbeitet von Thomas G. Müller.
Beim Thema Achsen gibt es ein weiteres Bauteil das wohl bei allen älteren BMW-Typen des öfteren seinen Geist aufgibt - das Lenkgetriebe. Ein typisches Zeichen für einen solchen Defekt ist ein deutliches Knacken während einer Lenkbewegung, ohne daß irgendein Spiel festzustellen wäre. Eine andere Fehlererscheinung ist ein sehr hohes Spiel in der Lenkung das sich nicht mehr Nachstellen lässt. Im Austausch kostet ein 6er-Lenkgetriebe knapp 1500 Euro, also Grund genug auch dieses Teil während einer Probefahrt genau zu prüfen. Es kommt übrigens beim 6er-Coupé auch des öfteren vor,daß ein Lenkgetriebe einseitig vom Achsträger abreißt.
Wer in diesem Falle nicht die Möglichkeit hat, den abgerissenen Halter wieder Fachmännisch und sorgsam an den Achsträger schweissen zu können muß für einen neuen Achsträger 365 Euro auf den BMW-Verkaufstresen legen.

Die nächsten beiden Prüfpunkte sind direkt an den Achsen montiert: Reifen und Bremsen. Da bei allen 6ern rundum Scheibenbremsen montiert sind ist eine Sichtprüfung schnell erledigt. Die Bremsscheiben sollten nicht verfärbt sein und keine Rillen aufweisen. Bei fast allen Serienfelgen ist es ohne Demontage der Räder möglich, die Reststärke von Scheiben und Belägen festzustellen. Die minimal zulässige Dicke von Bremsscheiben ist übrigens auf den Rand derselben eingeschlagen. Ein 6er muß schon sehr lange gestanden haben, bis sich die Bremsen festsetzen. Wenn dies trotzdem mal vorkommt, dann liegt es meistens daran, daß die Bremsflüssigkeit nicht wie vorgeschrieben alle zwei Jahre gewechselt wurde, Da die Bremsflüssigkeit mit der Zeit immer mehr Feuchtigkeit aufnimmt, fangen dann die Bremskolben langsam an, in den Bremssätteln festzurosten. Eine komplett festgesetzte Bremse macht sich dadurch bemerkbar, daß sich das Fahrzeug nicht mehr von Hand schieben läßt. Eine leicht schwergängige Bremse wird schon nach einer kurzen Probefahrt sehr heiß. Dies kann man durch vorsichtiges Handauflegen an der Felge feststellen. Das ist natürlich mit der gebührenden Vorsicht durchzuführen, damit man sich nicht die Finger verbrennt. Der Handbremshebel sollte sich nur drei, vielleicht vier Zacken anheben lassen. Ist der Weg länger oder zeigt sich keine Bremswirkung, so deutet das auf einen schnell näher rückenden Werkstat-Termin hin. Im Zweifelsfall hilft auch hier nur das entsprechende Equipment, denn auf einem Bremsenprüfstand lässt sich sehr schnell der Zustand der Bremsanlage feststellen. Und fast alle Werkstätten haben auch ein Gerät mit dem man den Siedepunkt und somit die Qualität der Bremsflüssigkeit überprüfen kann.

In Zusammenhang mit den Bremsen sollte man während einer Probefahrt auch gleich das möglicherweise vorhandene ABS-System überprüfen. Gerne wird bei einem defekten ABS-System die Kontrolleuchte entfernt, um diesen Fehler beim Verkauf zu vertuschen. Daher an dieser Stelle noch mal der Hinweis, daß alle Fehlerkontrollampen im Cockpit leuchten, sobald man die Zündung einschaltet. Sie gehen erst aus, wenn der Motor läuft und die Lichtmaschine genügend Strom produziert. Dies gilt für folgende Systeme: "Bremsbelag-Verschleißanzeige", "ABS", "Brems- und Lenkhydraulik", "Batterie-Ladestrom", "Schaltelektronik Automatik-Getriebe", "Öldruck", "Handbremse". Schaltet man nun die 6er-Zündung ein und eine dieser Leuchten bleibt dunkel, so ist wahrscheinlich die entsprechende Lampe defekt (natürlich nur sofern das Fahrzeug das entsprechende System überhaupt hat). Das ABS testet man am einfachsten indem man z.B. bei einer Geschwindigkeit von 40km/h herzhaft auf die Bremse tritt. Ein funktionierendes ABS macht sich jetzt durch kräftige Vibrationen und ein stark rubbelndes Geräusch bermerkbar. Auf jeden Fall sollten die Räder nicht blockieren und das Fahrzeug zum stehen kommen. Bei einer solchen Übung sollte man aber vorher mit ein paar vorsichtigen Probebremsungen sichergestellt haben das die Bremse nicht einseitig zieht. Auch ist es nicht nett wenn man den nachfolgenden Verkehr mit solchen Manövern behindert. Um Unfälle oder sonstigen Ärger zu vermeiden sollte man diesen Test also nur durchführen wenn keine anderen Verkehrsteilnehmer in der Nähe sind. Ein weiterer unbedingt notwendiger Test des ABS-Systems ist eine Hochgeschwindigkeitsfahrt (> 200 km/h) ohne Bremsmanöver. Geht jetzt die ABS-Kontrolleuchte an, so ist meistens ein Zahnkranz an der Achse defekt.

Mit den Reifen steht wohl fast jeder Autofahrer auf Kriegsfuß. Einst teuer gekauft, wird die Wartung (Luftdruck, Achsgeometrie) vollkommen ignoriert. Genutzt werden die Reifen sowieso bis zur letzten Rille, sehr oft sogar noch weit darüber hinaus. Und in der Verkaufsanzeige ist dann von 90% Restprofil die Rede. Daher vor dem Kauf auch unbedingt ein kritischer Blick auf alle fünf ! Reifen - wie sieht das Profil aus? Ist es gleichmäßig rundum abgefahren? Gibt es Auswaschungen im Profil? Ist das Profil innen noch genau so stark wie in der Mitte oder außen? Stimmt der Luftdruck? Während einige Macken ausschliesslich vom Fahrstil abhängen oder durch falschen Luftdruck verursacht wurden, kann bei anderen Symptomen direkt auf defekte Stoßdämpfer oder eine verstellte Achsgeometrie geschlossen werden.

Sehr viele 6er wurden mit Spezialreifen ausgeliefert - den berühmt-berüchtigten TRX von Michelin mit dem typischen V-Profil und metrischen Dimensionen. Seinerzeit wurde er als Super-Niederquerschittsreifen mit sicherheitsfördernden Fahreigenschaften gefeiert. Doch das System konnte sich nicht durchsetzen und daher wird der Reifen heute nur noch von Michelin und Avon und auch nur in kleinen Margen produziert. Das hat natürlich direkte Auswirkungen auf den Preis. Ca. 350 Euro sind heute für einen einzelnen Reifen fällig. Das wiederum hat zur Folge, daß bei vielen 6ern Felgen aus dem Zubehör montiert werden um günstigere Reifen fahren zu können. Und wenn doch noch mal ein 6er mit den Original-TRX-Felgen zum Verkauf angeboten wird, dann sind die Reifen entweder hoffnungslos veraltet und somit unfahrbar oder das Profil ist völlig abgefahren.

Seit vielen Jahren kursiert übrigens das hartnäckige Gerücht das man auf TRX-Felgen auch handelsübliche Reifen montieren könne. Dies ist völliger Blödsinn, da das TRX-System mit Absicht so konstruiert wurde, damit niemand versehentlich einen anderen Reifen montieren kann.

Als weiterer Prüfpunkt sollten die Bordelektonik und die Bedienmechanik auf der Checkliste eines E24-Käufers stehen. Im Lauf der Jahre kann hier einiges seinen Geist aufgeben. Und je mehr Extras ein Fahrzeug hat desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, das irgendetwas nicht funktioniert. Generell gilt: Alles durchprobieren! Und eine weitere Faustregel besagt das an einem Auto immer irgendetwas kaputt ist. Als sehr störanfällig haben sich am E24/1 und Strich-Zwei-Coupé die Leuchtweiten-Regulierung, die Scheinwerfer-Wisch-Wasch-Anlage, der Wischermotor im Intervallbetrieb, die Diebsathlwarnanlage und die Innenlichtverzögerung erwiesen.

Während das nun Dinge sind die man schnell überprüfen kann, geht das bei Geräten wie der Türschloßheizung und den beheizten Wisch-Wasch-Düsen nicht mehr ganz so einfach. Und dabei sind diese Geräte genau so oft kaputt wie die zuvor genannten. Sehr gerne geht auch das Wasserventil defekt. Dies hat zur Folge, das einem aus den Lüftungsgittern entweder nur noch kalte oder nur noch warme Luft entegenströmt. Auch die stufenlose Regelung des Gebläses sollte überprüft werden. Bei Fahrzeugen mit Klimaanlage sind sogar zwei Gebläse vorhanden die beide überprüft werden wollen. Ebenfalls auf der Prüfliste sollten der Bordcomputer, der Tempomat und auch die elektrisch verstellbaren Sitze stehen. Dies sind aber Dinge die nur gegen Aufpreis im 6er verbaut wurden.
Die Sitze sollten aber auch geprüft werden wenn sie manuell verstellbar sind. Gerne leiern die Rückstellfedern aus, und ein Sitz ist dann nur noch mit Nachdruck in die gewünschte Position zu bringen. Die ab 1982 wahlweise verbauten Sportsitze haben nicht nur daran zu leiden das die Ecken am Einstieg häufig durchscheuern - es kommt auch regelmäßig vor, das sie mitsamt den Schrauben aus der Verankerung zu reissen. Wie das dann aussieht ist auf dem nebenstehenden Bild zu erkennen. Wenn hier nicht sorgsam repariert wurde, sitzt man im wahrsten Sinne des Wortes auf einer Zeitbombe.

Gerne wird beim 6er an der Radioanlage herumgebastelt um etwas mehr "Sound" herauszuholen. Da muß das dezent gehaltene Originalradio mit einem eventuell daran angeschlossenen hochwertigen Soundsystem schon mal buntem Elektronikschrott aus Fernost weichen. Ganz schlimm wird es wenn aus Platzmangel für die neuen Lautsprecher die Deckel der Fächer auf der Hutablage zerschnitten werden oder am besten auch gleich noch die Bleche darunter. Sehr oft werden sogar große Teile der Bleche hinter den Sitzen entfernt, um einem Subwoofer-System Platz zu machen. Dies ist nicht nur albern, es ist auch kriminell da die 6er-Karosserie dadurch instabil wird. Hier gilt: Finger weg von solchen Fahrzeugen.

Zum Thema Elektrik zählen auch die Lampen. Diese sollten nicht nur funktionieren, eine genauere Inspektion ist unvermeidbar. Während bei den vorderen Leuchten die Streuscheiben aufgrund von Steinschlag langsam unbrauchbar werden, sorgen ungelenke Finger dafür, daß z.B. beim Lampenwechsel die Streuscheiben der hinteren Leuchten zu fest angeschraubt werden und dann reißen. Diese Risse haben zur Folge, daß die Streuscheibe wegen wegen Instbilität nicht mehr ganz so fest an der Dichtung anliegt.Ablaufendes Wasser von Dach und Heckscheibe kann jetzt direkt in die Seitentaschen des Kofferraums laufen. Hier sollte früh genug Ersatz beschafft werden, um größere Folgeschäden zu vermeiden. Auch die vorderen Scheinwerfer sind nicht so ganz so wasserfest. Ganz häufig sind sie von innen beschlagen. Ähnliches gilt für andere Dichtungen am Wagen. Bei allen Scheibendichtungen kann man davon ausgehen, daß sich mit den Jahren darunter etwas Rost bildet. Durch vorsichtiges Anheben mit dem Fingernagel kann man sich hier einen ersten Eindruck verschaffen. Gewißheit hat man aber erst, wenn man die Scheiben komplett ausbaut.

Am stärksten werden die Türdichtungen beansprucht. Da die rahmenlosen Scheiben beim Öffnen oder Schliessen der Tür nicht wie bei modernen Coupés automatisch ein wenig rauf- und runterfahren, wird die Dichtlippe jedesmal sehr stark belastet. Die Folge sind ausgeleierte und wegen des Alters auch noch verhärtete Dichtungen. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch falsch justierte Scheiben oder Türen. So ist dann immer wieder zu beobachten, daß 6er-Fahrer entweder erst die Scheibe hochfahren und dann die Tür schliessen müssen oder umgekehrt. Bei höheren Geschwindigkeiten rutscht die Scheibe dann meist aus der Dichtung und sorgt für äußerst laute Windgeräsche.

Ist die technische Begutachtung des Wagens soweit zufriedenstellend verlaufen, sollte man sich auch noch mit den Accessoires des Fahrzeugs beschäftigen. Jeder 6er wurde mit einer Akkulampe im Handschuhfach, einem komplett gefüllten Werkzeugkasten, einer Betriebsanleitung, einem Serviceheft, einem Handbuch mit allen BMW-Adressen Europas, zwei Zentralschlüsseln und einem Hotelschlüssel ausgeliefert. Am Schlüsselbund war auch immer ein kleines Schild mit der Schlüsselnummer befestigt. Ab dem Strich-Eins gesellte sich noch ein "abgesägter" Zentralschlüssel dazu und einer der normalen Zentralschlüssel war beleuchtet. Je nach Ausstattung kamen z.B. für einige Radios noch Zusatzbetriebsanleitungen dazu. Fragen sie bei Kauf nach diesen Dingen. Bei einem wirklich gut gepflegten Fahrzeug sollte noch alles vorhanden sein.

Sie meinen, das wäre jetzt übertrieben? Wir finden keinesfalls. Im Ausland wird bei Bewertungen eines Wagens sogar darauf geachtet, ob sich noch der originalverpackte Verbandskasten im Fach hinter den Kopfstützen befindet. Diese sorgsam gepflegten Kleinigkeiten sind es, die zusammengezählt irgendwann einmal auch in Deutschland den Wert eines E24-Coupés mitbestimmen werden.

Mit dem 12. Teil der "EWB-6er-Details" folgt die Fortsetzung in Ihrer nächsten EWB

Hier könnt Ihr den Artikel herunterladen: BMW 6er Kaufberatung Teil4 (ca. 120Kb)

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